Mit Bobic und Weidenfeller: Blick in die Seele eines Profi-Fußballers
Als Gäste anwesend waren der 37-malige Nationalspieler und heutige Eintracht-Frankfurt-Manager Fredi Bobic sowie BVB-Idol und Weltmeister Roman Weidenfeller. Im gemeinsamen Gespräch gewährten sie dem Publikum einen kritischen Blick hinter die Kulissen des modernen Spitzen-Fußballs.
„Erst einmal ging es ums Aushalten.“ Andreas Buck erzählt von seinen Anfängen als Fußball-Profi. Seine Karriere in der ersten Bundesliga startete nach heutigen Maßstäben relativ spät. Doch die Erfüllung des lang gehegten Traums im Alter von 22 Jahren entwickelte sich erst einmal zum Trauma. Seine erste Trainingseinheit beim VfB Stuttgart endete nach wenigen Minuten mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rasen. Buck war durch ein übles Foul eines Mitspielers niedergestreckt worden. Wobei – Mitspieler trifft es in diesem Falle wohl eher nicht. Ein Konkurrent mit Meriten in der Nationalmannschaft hatte Buck ins Krankenlager getreten, um zu zeigen, wer Herr im Hause ist und dass ein junger Spieler ein allzu selbstbewusstes Auftreten zu unterlassen habe. „Turbo“ Buck hatte sich getraut, seinen größten Trumpf, die Schnelligkeit, auszuspielen und so den Mannschaftskameraden ein ums andere Mal zu düpieren. Das wollte der nicht ungestraft durchgehen lassen. Diagnose: Doppelter Bänderriss. Kurz nach der Rückkehr auf den Trainingsplatz wenige Wochen später wiederholte sich das Ganze. „Als ich dann nach der zweiten Verletzungspause wiederkam, spürte ich erste Anzeichen von Respekt bei meinen Mitspielern. Aber erst einmal ging es ums Aushalten.“
Es sind Bucks Geschichten wie diese, die den Zuhörer erschrecken und nachdenklich machen. In seinem Buch mangelt es nicht daran. Es sind Geschichten über die Mechanismen des Profifußballs, über Rituale und Verhaltensweisen, die tradiert werden, die das ewige Alt gegen Jung, Neu gegen Etabliert, Platzhirsch gegen Grünschnabel generationsübergreifend zum festen Bestandteil des Geschäfts machen.
Auch Fredi Bobic hat diesen Erfahrungen gemacht. Bei ihm war es in seiner Anfangszeit bei den Stuttgarter Kickers vor allem der Trainer, der ihn durch ein Stahlbad trieb. „Rolf Schaftstall war ein Zuchtmeister vor dem Herrn. Ich konnte mich erfolgreich durchbeißen, aber einige junge Spieler sind daran auch zerbrochen.“ Prominentes Opfer zum Beispiel: Thomas Tuchel, heute Trainer des Champions-League-Finalisten und Weltstadt-Clubs Paris St. Germain, damals ein aufstrebender junger Verteidiger. Bei den Kickers kam er auf lediglich acht Einsätze in der zweiten Liga im Zeitraum von zwei Jahren.
Roman Weidenfeller erinnert sich an die Zeit, als er sich als junges Torwart-Talent des 1.FC Kaiserslautern dazu entschloss, die Karriere bei Borussia Dortmund fortzusetzen. „Kaum hatte ich den Wechsel im Verein angekündigt, wurde ich im Training eine Zeit lang nur noch als Feldspieler eingesetzt.“ Dem späteren Meistertorwart und Weltmeister von 2014 hat dieser schikanöse Umgang nachhaltig wohl nicht geschadet. Dennoch: Auch diese Episode offenbart zweifelhafte Methoden im Profifußball, die eher die Regel als Ausnahme sind.
Buck, Bobic und Weidenfeller wollen nicht missverstanden werden: Sie verweisen auf zahlreiche, tolle und außergewöhnliche Momente, die ihnen ihre jeweilige Karriere insbesondere in Zeiten des Erfolges beschert haben. Auch die Lehrzeit hatte ihre guten Seiten: „Es macht schon Sinn, dass man als junger Spieler öfter auch mal den älteren zuhört. Und wir hatten damals insgesamt mehr Zeit uns zu entwickeln. Auch heute sind die wenigsten unter den 18-jährigen Talenten gleich für die Herausforderungen des Bundesligafußballs gewappnet. Viele bräuchten etwas mehr Ruhe, um zu reifen. Die wird ihnen nur noch selten gegönnt“, weiß der heutige Sportvorstand von Eintracht Frankfurt. Und Roman Weidenfeller relativiert: „Das mit der Treterei im Training hat sich deutlich gebessert, aber ich gebe zu, auch ich fand es öfter mal angebracht, ein körperliches Zeichen zu setzen. Eine Verletzungsabsicht bestand dabei aber nie.“
Andreas „Turbo“ Buck kann ebenfalls auf eine erfolgreiche und lange Laufbahn als Bundesliga-Profi zurückblicken. Er hat sich nicht einschüchtern lassen durch das zeitweilig von Missgunst und Mobbing geprägte Umfeld. Die Gefahren, die einem die ursprüngliche Leidenschaft für den Fußball vergraulen können, lauerten aber an jeder Ecke: Der Manager, der einem bei den ersten Vertragsverhandlungen übers Ohr hauen will, der falsche Freund, der sich um das plötzlich so reichlich verdiente Geld kümmert, aber auch Fans, die mit übelsten Beschimpfungen Spieler zum Freiwild erklären.
Andreas Buck gelingt gemeinsam mit Co-Autor Andreas Ehrmann, das Erlebte nicht klischeehaft erscheinen zu lassen. Der Einblick in Bucks Fußballerleben berührt und fordert bestenfalls alle am Fußball beteiligten Personen- und Interessensgruppen dazu auf, eigene Verhaltensweisen zu überdenken, damit die Faszination dieses Sports nicht auf der Strecke bleibt. Andreas Buck sagt zum Abschluss: „Ich weiß nicht, ob ich meinem Sohn zu einem Leben als Fußball-Profi raten soll.“ Wer ihm zuhört und sein Buch liest, kann seine Zweifel gut nachvollziehen.