Hermann Horwitz wird am 27. Dezember 1885 im heutigen Prenzlauer Berg geboren, sein Elternhaus steht in der Weißenburger Straße 64 (heutige Kollwitzstraße 57). Der Abiturient studiert Medizin und wird 1917 als Militärarzt eingezogen. Nach dem ersten Weltkrieg erhält er seine Approbation. Im Frühjahr 1917 stirbt sein Vater Isidor an einer Lungentuberkulose. Möglicherweise ist dieser Schicksalsschlag für seine Inaugural-Dissertation unter dem Titel "Über Wesen und Begriff der Heilung bei Lungen- und Kehlkopftuberkulose" maßgeblich, mit der er am 7. Dezember 1920 an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin die Doktorwürde erlangt.
In den folgenden Jahren wendet sich der Arzt dem noch jungen Forschungsfeld der Sportmedizin zu. Dr. Hermann Horwitz ist zunächst Mitglied des Berliner Sport-Club. Nach der Fusion mit dem BFC Hertha im Jahre 1923 wird Dr. Hermann Horwitz am 3. August 1924 Mitglied von Hertha BSC. Wenig später beginnt er, als ehrenamtlicher Mannschaftsarzt der Berliner zu fungieren. Dabei beweist der Mediziner großen Weitblick und agiert in vielen Arbeitsbereichen bereits enorm fortschrittlich. Er erkennt früh, welch weitreichende Auswirkungen die Ernährung auf die Leistung von Sportlern haben kann und erarbeitet Ernährungspläne für die Spieler, was zur damaligen Zeit eine Pionierleistung darstellt. Zudem beschäftigt er sich frühzeitig mit Aspekten der Sportpsychologie - beispielsweise mit der Frage, wie Spielern vor großen Partien das Lampenfieber genommen werden kann. Zudem veröffentlicht er 1926 gemeinsam mit einem Kollegen das Fachbuch „Die Sportmassage“ für Ärzte und Masseure.
1926 erreicht Hertha BSC erstmals ein Endspiel um die Deutsche Meisterschaft und wiederholt dieses Kunststück fünf weitere Male in Folge. Die Mannschaft erringt in dieser unvergessenen Ära der blau-weißen Vereinsgeschichte in den Jahren 1930 und 1931 den Deutschen Meistertitel. An diesen Erfolgen hat der bei den Spielern äußerst beliebte Dr. Hermann Horwitz durch seine fortschrittliche Arbeit einen unschätzbaren Anteil. In der Festzeitung zur Feier des Meistertitels 1930 wird Dr. Hermann Horwitz eigens eine Strophe eines gesungenen Liedes gewidmet: „Dr. Horwitz, unser Eisenbart, au au au. Gar wundersame Mittel hat, au au au. Er schaut uns an mit tiefem Blick, au au au. Schon zieht die Krankheit sich zurück, au au au.“ Zudem vertritt er Hertha BSC ab Januar 1931 gegenüber dem Verband Brandenburgischer Ballspielvereine und verfasst entsprechende Artikel für die Nachrichtenblätter des Vereins.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten trifft der immer stärker um sich greifende Antisemitismus auch den Berliner Arzt. Zunächst muss Dr. Hermann Horwitz seine Positionen bei Hertha BSC aufgrund seiner jüdischen Herkunft aufgeben, bevor er am 26. September 1938 aus dem Verein ausgeschlossen wird. Der schriftliche Vermerk „Nichtarier“ in der Mitgliederkartei dokumentiert den menschenverachtenden Zeitgeist (Hinweis: Der Vereinsausschluss wurde posthum vom Präsidium von Hertha BSC am 26.11.2018 aufgehoben). Dr. Hermann Horwitz darf nicht mehr als Arzt praktizieren. Als einer der wenigen sogenannten „Krankenbehandler“ ist ihm fortan lediglich die Behandlung jüdischer Patienten erlaubt. Offenbar setzt der Mediziner bis zuletzt die Arbeit in seiner privaten Wohnung fort, worauf die medizinischen Instrumente hindeuten, die er mit einer Vermögensaufstellung (zu deren Abgabe alle Jüdinnen und Juden vor ihrer Deportation gezwungen sind) abgeben muss.
Am 19. April 1943 wird der Mediziner am Güterbahnhof Moabit in einem Viehwaggon mit dem 37. sogenannten „Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz gebracht. Zunächst muss er vor Ort eine Woche im Arbeitslager Buna bleiben, bevor er als Häftlingsarzt in das Stammlager Auschwitz überstellt wird. Dr. Hermann Horwitz rettet in dieser Rolle mindestens einem Mithäftling das Leben, wie ein Brief von Erwin Valentin dokumentiert. Dieser ist bereits zur Ermordung selektiert, der ehemalige Hertha-Mannschaftsmediziner überzeugt den Lagerarzt jedoch davon, dass sich der ihm aus Berlin bekannte Athlet wieder erholen werde und bewahrt Erwin Valentin vor der Gaskammer. Diese Episode ist jedoch zugleich das letzte Lebenszeichen von Dr. Hermann Horwitz. Als die Rote Armee am 27. Januar 1945 Auschwitz befreit, ist der Häftling mit der Nummer 116 761 nicht mehr am Leben. Die Umstände, die zu seinem Tod geführt haben, können nie geklärt werden.
Nach dem Kriegsende gerät Dr. Hermann Horwitz - ähnlich wie andere jüdische Protagonisten des Fußballs - zunächst in Vergessenheit. Eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Opfern beginnt erst sehr langsam. Anfang des neuen Jahrtausends beginnen der DFB und auch einige Vereine, ihre Rolle in dieser Zeit kritisch zu beleuchten und zu hinterfragen. 2007 erforscht der Historiker Daniel Koerfer im Auftrag von Vereinspräsident Bernd Schiphorst die Rolle von Hertha BSC während der Zeit der Nazi-Diktatur. Bei den Recherchen zu dem im Jahre 2009 erschienenen Buch „Hertha unter dem Hakenkreuz – Ein Berliner Fußballclub im Dritten Reich“ findet sich auch der Name des ehemaligen Mannschaftsarztes in Prozessakten der NSDAP wieder.
Am 23. April 2013 wird von der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin vor seiner letzten Wohnanschrift in der Nachodstraße 22-23 in 10779 Berlin (Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf) im Beisein des Aufsichtsratsvorsitzenden Bernd Schiphorst, des Vereinspräsidenten Werner Gegenbauer, des aktuellen Mannschaftsarztes Dr. Ulrich Schleicher und des israelischen Spielers Ben Sahar ein Stolperstein zum Gedenken an Dr. Hermann Horwitz verlegt. Seither haben es einige Fans von Hertha BSC zur Tradition werden lassen, diesen Stolperstein alljährlich am 9. November zu putzen und dabei dem Arzt und allen anderen Opfern des Holocaust zu gedenken.
Das Schicksal des ehemaligen Mannschaftsarztes beschäftigt auch die Anhängerinnen und Anhänger der „Alten Dame“. Zum Gedenken an Dr. Hermann Horwitz organisiert die Fanbetreuung von Hertha BSC und das Fanprojekt der Sportjugend Berlin im Rahmen des Projektes „Aus der eigenen Geschichte lernen“ im Herbst 2016 erstmals eine Gedenkstättenfahrt in das polnische Oświęcim, wo sich einst das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz befunden hat. Die Reise hinterlässt bei allen Teilnehmenden einen nachhaltigen Eindruck über das Ausmaß der NS-Verbrechen. So fassen die Reisenden gemeinsam den Entschluss, das Leben und Wirken des Arztes genauer zu untersuchen und auch stärker im Bewusstsein von Hertha BSC zu verankern. Es ist die Geburtsstunde des Projektes ‚Dr. Hermann Horwitz – Eine Spurensuche‘. Dabei besuchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zahlreiche Archive und recherchieren in Detailarbeit aus historischen Quellen. Die aufwendige Arbeit, für die sich 15 Hertha BSC-Fans der ehrenamtlichen Projektgruppe unter der wissenschaftlichen Leitung von Juliane Röleke und Sönke Vosgerau sowie der Projektkoordination von Stefano Bazzano und Ralf Busch verantwortlich zeichnen, mündet im Juni 2017 in das von der Hertha BSC GmbH Co. KGaA herausgegebene 60-seitige Buch "Dr. Hermann Horwitz - Eine Spurensuche".
Dr. Hermann Horwitz hat Hertha BSC mit seinem Wirken und seiner Lebensgeschichte in einzigartiger Weise geprägt.
Es ist für alle Herthanerinnen und Herthaner Ansporn und Verpflichtung zugleich, das Andenken an Dr. Hermann Horwitz zu bewahren und die politischen und gesellschaftlichen Lehren aus seiner Geschichte zu verinnerlichen.