Julius Hesse, Quelle: DSC Arminia Bielefeld

Julius Hesse

Geboren am 22.04.1875 in Borgholzhausen, Deutschland
Gestorben am 06.03.1944 in KZ Theresienstadt
Ermordet im Holocaust
Funktionär

Geschäft von Julius Hesse, ca. 1925, Quelle: Stadtarchiv BielefeldDer jüdische Kaufmann Julius Hesse wurde am 23.4.1875 in Borgholzhausen geboren und war mit Jenni Hesse geb. Sieger, geb. 1882, aus Halle/W. verheiratet. Das Ehepaar Hesse hatte drei Töchter: Ruth (geb. 1908), Lore (geb. 1909) und Anneliese (geb. 1918). Die Tochter Ruth war im Geschäft des Vaters beschäftigt.

Julius Hesse lebte seit 1903 in Bielefeld und war Inhaber des bekannten Schuh- und Sportgeschäfts Hesse & Co. in der Rathausstraße 1 inmitten der Bielefelder Altstadt.

Julius Hesse nahm während der Gründungsphase des DSC Arminia eine bedeutsame Rolle ein. Nachdem der Club 1905 gegründet worden war, geriet er bereits 1909 in seine erste existentielle Krise. Es fiel schwer, einen geeigneten Sportplatz zu finden, regelmäßig inserierte der Verein danach in der örtlichen Presse. Nachdem der Verein schließlich an der Kaiserstraße (heute August-Bebel-Straße)/Ecke Paulusstraße einen Sportplatz erworben hatte, wurde dieser schon nach wenigen Monaten von der Stadt Bielefeld wegen Eigenbedarfs wieder beschlagnahmt. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich erhebliche Schulden angehäuft, die nicht in kurzer Zeit getilgt werden konnten. Gleichzeitig war ein deutlicher Schwund an Mitgliedern zu verzeichnen. Diese hätten auf Grund der damaligen Rechtskonstruktion persönlich in Haftung treten müssen.

Einweihung des Julius Hesse Platzes, Quelle: DSC Arminia BielefeldJulius Hesse übernahm in dieser schweren Krise des Vereins von Emil Schröder das Amt des Ersten Vorsitzenden. Seine Amtszeit dauerte fünf Jahre, sie endete 1914. Unter Hesse erholte sich der Verein nicht nur, sondern er erlebte auch einen sportlichen Aufschwung auf seinem neuen Sportplatzgelände „An der Pottenau“.

Der Beginn des Ersten Weltkriegs führte zum vorläufigen Abbruch der Vereinsaktivitäten.

In der Jubiläumsausgabe des DSC Arminia aus dem Jahre 1930 lässt sich noch eine ganzseitige Werbeanzeige des Schuh- und Sporthauses Hesse & Co. nachweisen. Auch 1933 wurden dem Unternehmen in der heimischen Presse noch Anzeigen erlaubt.

Wie lange Hesse Vereinsmitglied blieb und ob er weitere Vereinsämter bekleidete ist nicht bekannt. Ebenso wenige Informationen liegen darüber vor, auf welche Weise seine Vereinsmitgliedschaft endete.

Seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich das Leben der Familie Hesse
grundlegend. Während des Boykotttages am 1. April 1933, als alle jüdischen Arztpraxen, Anwaltskanzleien und Geschäfte, geschürt durch die Parole „Kauft nicht beim Juden“ von der Bevölkerung boykottiert werden sollten, machte der Geschäftsinhaber böse  Erfahrungen mit der Bielefelder SA. Schaufenster des Geschäfts wurden mit Parolen beschmiert.
„Heil Hitler ! Schuhe kauft man nur bei Wittler! Kauf sie bloß nicht bei Hesse, sonst bekommst du was in die Fresse!“

Unweit von seinem Geschäft entfernt, befestigten SA-Männer ein Transparent mit der Aufschrift: „Wer beim Juden kauft, betrügt den deutschen Arbeiter. Meidet die jüdischen Ramschläden“. Ob Julius Hesse an diesem Tag sein Geschäft öffnete bleibt unbekannt. Etliche jüdische Geschäfte in Bielefeld öffneten nur für kurze Zeit in den Morgenstunden und blieben anschließend geschlossen. Zweifellos führten die Einschüchterungsaktionen auch zu erheblichen Umsatzeinbußen.

Nach dem Verkauf des Geschäfts lautete die neue Firmenbezeichnung „Hesse & Co., Schuhwarenhandlung, Inhaber: W. Bartels“. Ende 1938 bzw. mit  Beginn des Jahres 1939 erfolgte eine Umbenennung nach dem neuen Eigentümer Walter Bartels in „Bartels Eck“. Offenbar hat Bartels den Namen des bekannten Kaufmanns Hesse noch lange geschäftlich genutzt.

Das Wohnhaus des Ehepaars in der Beethovenstraße 8 wurde ebenfalls Ende 1935 verkauft. Der Hintergrund für die Verkäufe war, wie aus Archivakten hervorgeht, eine geplante Flucht ins benachbarte Ausland.

Die Not und der Leidensdruck des Ehepaars Hesse führte wahrscheinlich  „nach bekannt werden der Nürnberger Rassegesetze“ (1935)  zu einem vereitelten Suizidversuch. Julius Hesse wurde im Adress- und Branchenbuch der Stadt Bielefeld nur noch als „Privatier“ (1936) bzw. „Provisionsvertreter“ (1938) geführt.

Im Zuge der Pogromnacht 1938 verhaftete die Gestapo Bielefeld Julius Hesse und verschleppte ihn am 11.11.1938 in das Konzentrationslager Buchenwald. Nach seiner Entlassung aus dem Lager lebte das Ehepaar Hesse weiter in der vierten Etage ihres ehemaligen Wohn- und Geschäftshauses in der Rathausstraße 1.

Seit dem 10.8.1942 befand sich das Ehepaar Hesse im so genannten „Alten- und Siechenheim“, einer Holzbaracke auf dem Gelände des jüdischen Zwangsarbeitslagers Schloßhofstr. 73 a. Seit dem 16.10.1942 mussten er und seine Frau Jenni in der Lützowstr. 10, einem so genannten „Judenhaus“ mit zahlreichen anderen jüdischen Bewohnern leben.

Am 12.5.1943 erfolgte von Bielefeld aus die Deportation von Jenni und Julius Hesse in das Konzentrationslager Theresienstadt. Dem Transport ging der erzwungene Abschluss eines „Heimeinkaufsvertrages“ voraus. 

Julius Hesse starb am 6. März 1944 in Theresienstadt, seine Frau Jenni wurde im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Den Töchtern  Ruth, Lore und Anneliese gelang 1937 bzw. 1938 die Flucht ins Ausland. Sie überlebten die NS-Zeit.

Die verschiedenen Publikationen über den DSC Arminia Bielefeld heben Julius Hesse stets in lobender Weise hervor und drücken ihre Anerkennung für seine Vorstandsarbeit von 1909 bis 1914, die zur Rettung des Vereins führte, aus.

Bis in die achtziger Jahre hinein wurde jedoch an keiner Stelle erwähnt, dass der ehemalige Präsident Julius Hesse als Jude seit 1933 verfolgt, aus dem DSC Arminia ausgeschlossen und schließlich im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet wurde.

Erst die Festschrift von 2005 („100 Jahre Leidenschaft“) berücksichtigt Hesses Leidensweg mit einem kurzen Vermerk. Die Geschichte seiner Familie blieb weiterhin ausgeblendet.

In der Stadt Bielefeld erinnern das Mahnmal für die deportierten Juden aus Bielefeld aus dem Jahr 1998 sowie zwei „Stolpersteine“, für die die Fan-AG und der DSC Arminia im Januar 2013 die Patenschaft übernahmen, an das Ehepaar Jenni und Julius Hesse. Sie wurden in der Rathausstraße 1, im Gehwegpflaster vor dem ehemaligen Geschäft eingelassen.

Seit dem 31. Mai 2021 erinnert hinter der Westtribüne der SchücoArena der Julius-Hesse-Platz mit einer Informationstafel an den ehemaligen Präsidenten und weitere jüdische Mitglieder des Vereins. Initiator war die Julius-Hesse-Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus dem Fan-Projekt Bielefeld, dem DSC Arminia Bielefeld, dem ASC Supporters Club sowie der NS- Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg.

Quellen:
-    Minninger, Meynert, Schäffer, Antisemitisch Verfolgte…, Bielefeld 1985
-    Schäffer, Meynert, Juden in Bielefeld…, Bielefeld 1983
-    Zeitungen: Haller Kreisblatt vom 6.10.2016, NW Bielefeld (div.)
-    50 Jahre DSC Arminia. Festschrift.  Bielefeld 1955

Autor: Friedhelm Schäffer

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