Gesellschaftspolitische Relevanz des Fußballs

        Eine Gruppe beim Projekttag Vielfalt im Bereich Wunder von Bern

        Große Fußballmomente rufen unvergessliche Geschichten und ihre Protagonisten in Erinnerung. Einige Besucher waren vielleicht im Stadion live dabei, andere haben beim Public Viewing gefeiert oder einfach nur den Erzählungen der Großeltern gelauscht, wie sich alles zugetragen hat. So begegnet jeder im Deutschen Fußballmuseum auf faszinierende Art und Weise seiner eigenen Biografie. Dabei spielt vor allem auch die Geschichte der Nationalmannschaft eine wichtige Rolle. Sie bildet eine zentrale Achse in der ersten Ausstellungsebene. Hier geht es jedoch nicht bloß um die Emotionalität des bedeutenden Erfolges, um Titel und Triumphe, sondern auch um Ereignisse und historischen Umstände, unter denen sie stattgefunden haben.

        Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt. Tor, Tor, Tor…!“ Natürlich ist das „Wunder von Bern“, der erste WM-Titelgewinn 1954, untrennbar verbunden mit dem berühmten Tor von Helmut Rahn zum 3:2-Sieg gegen die als unschlagbar geltenden Ungarn, das durch die nicht minder berühmte Radio-Reportage von Herbert Zimmermann bis heute nachhallt. Ein Gänsehautmoment, hinter dem sich viele Geschichten verbergen.

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        Der jugendliche Ausstellungsbesucher, der es nicht anders kennt, Bilder und Nachrichten aus aller Welt an Ort und Stelle zu empfangen, erfährt, dass es 1954 gerade einmal 40.000 Fernsehgeräte in Deutschland gab. Oder wem ist denn wirklich bewusst, dass die Nationalmannschaft mit dem Deutsch-Rumänen Jupp Posipal in ihren Reihen schon damals eine Triebfeder der Integration war? Oder dass die Spieler, die so sensationell gewannen, zwar Helden-Status erlangten und bis heute genießen, im Leben abseits des Spielfeldes zuweilen aber große Probleme hatten, zurechtzukommen? Mit dem Fußball und trotz eines WM-Titels konnten seinerzeit keine Reichtümer angehäuft werden. Und überhaupt: Das „Wunder von Bern“ wäre erst gar nicht möglich gewesen, wenn sich die deutsche Nationalmannschaft in der Qualifikation für das Turnier in der Schweiz nicht gegen das Saarland durchgesetzt hätte. Länderspiele gegen das Saarland? Ein Duell „Wir gegen uns“, wie es das 20 Jahre später auch bei der WM 1974 in Deutschland beim Spiel BRD gegen die DDR gab? Das Deutsche Fußballmuseum präsentiert ein Gesamtprogramm, das den übergreifenden Bedeutungszusammenhang des Fußballs herstellt.

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        Die Ausstellung ordnet Fußballgeschehen sportlich, kulturell, gesellschaftlich und historisch ein und verknüpft dabei die Gegenwartserfahrungen junger Besucher mit den Perspektiven früherer Generationen. 1954 Weltmeister zu werden, war für viele im getrennten Nachkriegsdeutschland ein großartiges Gefühl. Daran erinnerte auch Bundespräsident Joachim Gauck anlässlich der Verleihung des Silbernen Lorbeerblatts an die Weltmeisterspieler von 2014 im Schloss Bellevue. Im Fußball, so Gauck, sei während der deutschen Teilung die Erinnerung, eine Nation zu sein, immer wachgeblieben.

        Nie vergessen werden darf auch, dass es neben den "Helden von Bern" auch verlorene Helden gab. Die Biografien jüdischer Fußballspieler, Vereinsgründer, Schiedsrichter, Sportjournalisten und Fußballfans, dokumentieren die Verbrechen an Juden im NS-Regime. Sie berichten von Entrechtung, Enteignung, Vertreibung und Ermordung.

        Und wir erinnern an stille Heldinnen wie Lotte Specht. 1930 gründet sie den 1. Deutschen Damenfußballclub.  Mit ihren Mitstreiterinnen lebt sie gegen Widerstände in der eigenen Familie und in der Öffentlichkeit ihre Fußball-Leidenschaft aus. 1931, von der Presse verspottet, löst sich der 1. DDFC nach nur einem Jahr wieder auf. Auch wenn sie fortan als Schauspielerin und Kabarettistin in Erscheinung tritt, gilt Lotte Specht als die große Pionierin des Frauenfußballs in Deutschland, genauso wie die Spielerinnen, die sich zwischen 1955 und 1970 dem Verbot des Frauenfußballs widersetzten.

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        Darüber hinaus begegnen wir in der Ausstellung Helden des Alltags, die sich uneigennützig, ohne nach einer Gegenleistung zu fragen, mit herausragendem Engagement in die Vereinsarbeit einbringen, Kinder fördern und fordern und damit einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, der nicht hoch genug geschätzt werden kann.

        Und wir vergessen nicht, was deutsche Hooligans während der während WM 1998 dem französischen Polizisten Daniel Nivel angetan haben.

        Fußballgeschichte darf nicht ausschließlich in den Grenzen des Erfolges erzählt werden. In ihr spiegelt sich immer auch Zeitgeist, Zeitgeschichte und so manche Entwicklung, die sich niemals wiederholen darf.

        Passende Begleitbücher zum Thema

        Du interessierst dich für die Geschichten hinter der Geschichte? Das Deutsche Fußballmuseum veröffentlicht in Ergänzung zur Dauerausstellung und den Sonderausstellungen Begleitbücher mit vielen Hintergrundinformationen und beeindruckendem Bildmaterial.

        Diese Bücher passen zum Thema gesellschaftspolitische Relevanz des Fußballs in der Ausstellung.

         

        • Kleine Fußball-Bibliothek: „Gedenken an den Holocaust – Fußball und Erinnerung“

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          Kleine Fußball-Bibliothek: „Gedenken an den Holocaust – Fußball und Erinnerung“

          Am Internationalen Holocaust-Gedenktag 2018 erinnerte das Deutsche Fußballmuseum an die Opfer des nationalsozialistischen Völkermord. Die in diesem Band noch einmal veröffentlichen Beiträge von DFB-Präsident Reinhard Grindel, Israels Botschafter Jeremy Issacharoff, Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau und Historiker Moshe Zimmermann vergegenwärtigen in großer Eindringlichkeit die Rolle des Fußballs im Nationalsozialismus und die gesellschaftliche Verantwortung des Fußballs in der Gegenwart. Mit einer Einleitung von Manuel Neukirchner, Direktor des Deutschen Fußballmuseums, und einem Nachwort der Historiker Henry Wahlig und Lorenz Peiffer. Gedenken an den Holocaust - Fußball und Erinnerung ist der zweite Band der Kleinen Fußball-Bibliothek. Die Reihe in der Edition Deutsches Fußballmuseum beleuchtet in programmatischer Breite kulturelle und historische Themen des Fußballsports.

          Manuel Neukirchner (Hrsg.)
          96 Seiten
          Deutsches Fußballmuseum Edition
          Format 110mm x 183mm 
          ISBN 978-3-8375-2093-4
          12,95 EUR

        • Begleitbuch zur Ausstellung: „Mehr als ein Spiel“

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          Begleitbuch zur Ausstellung: „Mehr als ein Spiel“

          Das Buch Mehr als ein Spiel erzählt mit Texten und Bildern renommierter Autoren und Fotografen die Geschichte des deutschen Fußballs von den Anfängen bis heute. Dargestellt werden die großen und kleinen Fußballmythen, die sich mit ihren Schlüsselbildern in das persönliche und kollektive Sport-Gedächtnis eingeprägt haben und fester Bestandteil deutscher Erinnerungsgeschichte geworden sind. Triumphale Erfolge, schmerzliche Niederlagen, aber auch wechselvolle Entwicklungen und große Persönlichkeiten werden in diesem Buch in einmaliger Weise festgehalten. Der offizielle Begleitband des Deutschen Fußballmuseums ist ein unverzichtbares Standardwerk für jeden Fußball-Interessierten.

          Manuel Neukirchner (Hrsg.)
          254+4 Seiten
          Klartext Verlag
          Großformat, Festeinband
          ISBN 978-3-8375-0973-1
          19,95 EUR

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