Julius Baumann, Quelle: https://www.stolpersteine-stuttgart.de/cgi-sub/fetch.php?id=459

Julius Baumann

Geboren am 20.01.1898 in Stuttgart, Deutschland
Gestorben am 01.10.1942 in KZ Mauthausen
Ermordet im Holocaust
Schiedsrichter

Grabstein auf dem Pragfriedhof in Stuttgart, Quelle: https://www.stolpersteine-stuttgart.de/cgi-sub/fetch.php?id=432&var=kleinJulius Baumann wird am 20. Januar 1898 in Stuttgart geboren. Zunächst erlernt er den Beruf des Kaufmanns. Der begeisterte und talentierte Sportler wird Mitglied der Stuttgarter Kickers und engagiert sich als Schiedsrichter.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten beschließen die Vorsitzenden der 14 süddeutschen Fußballclubs am 9. April in der „Stuttgarter Erklärung“ ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen. Baumann macht zunächst das Beste aus der Situation und setzt seine Fähigkeiten nun in jüdischen Vereinen ein und bereitet die Auswanderung vor.

In den Jahren 1935-1939 wohnt er in der Oberen Bachstraße 29, der heutigen Eberhardstraße 35, wo sich heute das Amt für öffentliche Ordnung befindet. Zusammen mit seiner Schwester und ihrem Mann teilt sich der Junggeselle die Wohnung.

Stolperstein in der Eberhardstraße 35 in Stuttgart, Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/98/Stolperstein_-_Stuttgart_-_Eberhardstra%C3%9Fe_35_-_Julius_Baumann.JPGDann wird die jüdische Sportschule in der Stuttgarter Zeppelinstraße geschlossen. Baumann übernimmt den Unterricht, um den Kindern in der schweren Zeit etwas Lebensfreude bereiten zu können. Obwohl er mit einem Einreisevisum nach England ausreisen könnte, bleibt er in Stuttgart. Dafür ist er in der jüdischen Gemeinde sehr hoch angesehen.

Die Gemeinde schreibt dazu:„Eigentlich hätte der ledige Julius Baumann 1939 mit einem der seltenen Einreisevisa nach England fliehen können. Er blieb, weil er der israelitischen Gemeinde versprochen hatte, das Ferienlager für die Kinder zu organisieren. Den jüdischen Kindern schuf er ein kleines Paradies der Freiheit und des Aufenthalts in guter Luft im Feuerbacher Tal, dem jüdischen Sportplatz. Mit eigener Hand grub er in langen Stunden ein bescheidenes Planschbecken für die Allerkleinsten und es wurde ihm nie zuviel, mit einem Eimer dasselbe frisch aufzufüllen. Er gehörte zu jenen seltenen Menschen, die, anscheinend selbst hilflos, doch noch Freude bereiten können.“

Während der Verfolgungszeit ist es den jüdischen Bürgern verboten ins Kino oder Theater zu gehen. Julius Baumann eröffnet diesen Menschen jedoch die „Bunte Stunde“. In einer Art Varieté in der Turnhalle in der Hospitalstraße 36 ermöglicht er Jugendlichen daran mitzuwirken. Außer einem Gestapo-Beamten gibt es nur jüdische Stuttgarter Zuschauer

Trotz aller Bedrängungen durch die Gestapo ist der mutige Julius Baumann weiter in der Israelitischen Kultusvereinigung tätig. Es ist tragisch und schmerzlich, dass er unter dem Namen „Kommando Baumann“ für den Gepäcktransport bei der ersten Deportation jüdischer Mitbürger indirekt mitbeteiligt ist. Am 1. Dezember 1941 werden aus Württemberg über 1000 jüdische Personen nach Riga verschleppt, darunter auch seine Schwester Berta und ihr Mann Ernst Levi. Baumann ist als Angestellter zu diesem Zeitpunkt nicht für die Deportation vorgesehen.

1941 und 1942 müssen alle jüdischen Bürger in sogenannte „Judenhäuser“ umziehen. Baumann gibt sich mit einem Wagen als Möbeltransporteur aus. In Wirklichkeit aber beliefert er die Menschen auch mit Lebensmitteln und versteckt sie in der Turnhalle.

Dann wird 1942 sein „arischer“ Gehilfe erwischt. Er wird verhaftet und verrät Baumann, der daraufhin festgenommen und bald deportiert wird.

Der Gestapo-Mann, der ihn festnehmen muss, missfällt die Situation. Er sagt: „Mensch Julius, warum hast Du Dich in eine so dumme Sache eingelassen; jetzt muss ich dich verhaften!"

Baumann bietet sich zunächst ein Schlupfloch, weil er den zuständigen Sachbearbeiter in der Stuttgarter Gestapo-Leitstelle, den Kriminalangestellten Amthor, kennt. Amthor ist nämlich ein früherer Mitsportler bei den Kickers. Doch dessen Einfluss reicht nicht aus.

Julius Baumann kommt zunächst nach Welzheim, wird weiter in das Konzentrationslager Mauthausen gebracht. Dort findet er den Tod. Die offizielle Mitteilung am 01.10.1942 lautet „Auf der Flucht erschossen". Es ist erst eine Woche seit seiner Verhaftung vergangen, als seine Asche wieder zurück nach Stuttgart gebracht wird. Seine Urne wird auf dem jüdischen Teil des Pragfriedhofs beigesetzt.

Auf seinem Grabstein steht der Satz: „Er gab sein Leben für die jüdische Gemeinschaft.“

Vor seinem Wohnhaus in der Eberhardstraße 35 erinnert heute ein Stolperstein an diesen herausragenden Menschen.

Die Geschichte und Biografie zu Julius Baumann wurde im Rahmen eines Erinnerungsprojektes des Kickers Fanprojektes recherchiert und aufgearbeitet. Über das Projekt "Heimat Kickers - Die Blauen in bewegten Zeiten" konnte man auch die Großnichte von Julius Baumann, Pip McCosh, in Neuseeland ausfindig machen und mehrere Treffen mit ihr und ihrem Mann arrangieren.

In Kooperation mit der Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule, einer Eliteschule des Sports im Stuttgarter Osten, die sich im Rahmen eines Projekts zum Stuttgarter Fußball im Nationalsozialismus ebenfalls mit Julius Baumann intensiv beschäftigte und ein Theaterstück zu seinem Leben konzipierte, konnte man 2019 den Julius Hirsch Preis des DFB als zweiter Preisträger gewinnen.

Weitere Informationen dazu findet man unter: https://heimat-kickers.de

Das Video zum Julius Hirsch Preis findet man auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=TpbuFYs7NrM&t=9s

Autor: Kickers Fanprojekt

Literaturverweise
Broschüre "Heimat Kickers - Die Blauen in bewegten Zeiten" von Kickers Fanprojekt 1. Auflage 2018
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