Fritz Levisohn/Lenig

Geboren am 24.04.1905 in Gelsenkirchen, Deutschland
Funktionär
1. Vorsitzender

, Quelle: Institut für Stadtgeschichte GelsenkirchenObwohl er „erst“ in den frühen Nachkriegsjahrendes FC Schalke 04 - und nur kurz - eine wichtige Rolle spielt, lohnt es sich, seine Lebensgeschichte zu würdigen. Als Fritz Levisohn und kurz darauf Dr. Fritz Lenig ist er von 1946 bis 1947 ein Jahr Erster Vorsitzender der Königsblauen.

Fritz Levisohn am 24. April 1905 geboren, stammt aus einer angesehenen jüdischen Arztfamilie in Gelsenkirchen. Er studiert Medizin und Geschichte, promoviert in Medizin an der Universität Heidelberg. Ab 1931 ist er in der Praxis seines Vaters an der Klosterstraße 21 als Arzt tätig und übernimmt sie nach dessen Tod 1933. Außerdem fungiert er als Geschäftsführer bei Seppelfricke, einer alteingesessenen Gelsenkirchener Firma, die unter anderem Kühlschränke und Küchenherde produziert. Am Unternehmen ist er auch finanziell beteiligt.

Levisohn ist zudem politisch aktiv. Er engagiert sich in verschiedenen Parteien (zunächst der Deutschen Demokratischen Partei, anschließend der Deutschen Staatspartei), die deutschnational, aber demokratisch-liberal geprägt sind. Nach der Machtübergabe ist den Nationalsozialisten seine politische Arbeit ein Dorn im Auge. Sie verhaften und verhören den Arzt und Unternehmer im Mai 1933. Obwohl Levisohn zusammen mit seiner Frau der katholischen Kirche beigetreten ist, stufen ihn die Nazis gemäß ihrer „Rassenlehre“ zwischen einem Viertel- und einem Halbjuden ein und entziehen ihm die Zulassung als Mediziner. Er darf nur noch als „Krankenbehandler“ im jüdischen Gemeindehaus arbeiten. In der Pogromnacht 1938 verbrennen die Nazis seine Praxiseinrichtung und bringen ihn ins Gelsenkirchener Polizeigefängnis.

Nach seiner Freilassung im Januar 1939 flieht Levisohn in die Niederlande. Mitte des Jahres folgen Frau und Sohn. Geschäftsführer Alois Seppelfricke erreicht bei der niederländischen Regierung, dass Levisohn dort ein weiteres Werk der Firma eröffnen darf, eine Metallwarenfabrik in Wageningen. Diese wird ins Register der Handelskammer Arnheim eingetragen, Levisohn ist unter dem Namen Dr. F. M. v. Dijk als Direktor und Hauptaktionär genannt. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht lässt er die Maschinen verteilen, um sie vor dem Zugriff der Besatzer zu schützen, danach liquidiert er die Firma. Die ihm als Mitinhaber von Seppelfricke zustehenden Zuwendungen bezahlt Alois Seppelfricke weiter, sodass die Versorgung der Levisohns sichergestellt ist. Familie Seppelfricke versucht zudem, das Wohnhaus der Levisohns in der Klosterstraße zu kaufen, erhält jedoch nicht den Zuschlag, da die Stadt das Gebäude übernimmt.

In den Niederlanden engagiert sich Dr. Fritz Levisohn unter dem Decknamen Frederik Maria van Rijn in einer Widerstandsgruppe, die das Blatt „Der Kurier von Kleve“ herausgibt. Die Nazis spüren ihn jedoch auf und stecken ihn 1942 ins Konzentrationslager Amersfoort, wo er gefoltert wird. Ihm gelingt später die Flucht. 1944 hält er sich inmitten der englischen Luftlandetruppen auf, um diese ärztlich zu versorgen.

Nach dem Krieg zeichnet Prinz Bernhard, Ehemann der niederländischen Königin, den Arzt für seine Arbeit im Widerstand aus. Levisohn kehrt mit der Familie in seine Heimat zurück. In einem Rückerstattungsverfahren erkämpft er sich mühsam sein altes Wohnhaus. Ab dem 20. Oktober 1945 arbeitet er wieder als Kassenarzt und wird Geschäftsführer der Metallwerke der Gebrüder Seppelfricke. Obwohl er selbst verfolgt und entrechtet worden ist, wird er einem Entnazifizierungsverfahren unterzogen. Wahrscheinlich wegen seiner Tätigkeit bei der Firma Seppelfricke, die während des Kriegs Rüstungsgüter produziert hat.

Am 25. Mai 1946 wählen die Mitglieder des FC Schalke 04 Levisohn zum Vorsitzenden. Dieses Amt bekleidet er bis zum 22. Februar 1947. Ob er bereits vor dem Krieg Kontakt zum Verein hat, ist unbekannt. Als Vorsitzender der Knappen bürgt er in den Entnazifizierungsverfahren für zahlreiche Mitglieder und Funktionäre wie Karl Stutte oder Karl Trümpener, die er offenbar nur als nominelle NSDAP-Mitglieder empfindet. Es existiert die Lesart, die Schalker hätten Levisohn als Juden und Widerstandskämpfer lediglich vorgeschoben, um die britischen Besatzer davon zu überzeugen, dem S04 schnell wieder die Spielerlaubnis zu erteilen. Dagegen spricht, dass Levisohn sehr selbstbewusst auftritt, äußerst streitbar ist und sich stets auf die Seite der Verfolgten stellt. Es scheint jedenfalls unwahrscheinlich, dass er sich für diesen Zweck hätte einspannen lassen.

Im selben Jahr bemüht sich Levisohn um eine Änderung seines Namens. Der Fall erreicht sogar die Landesregierung. Er argumentiert, dass beim Namensrecht auch Fragen der bürokratischen Bewältigung des Nationalsozialismus berücksichtigt werden müssen. Kurz: Er will nicht mehr als Jude gelten. Der beantragten Änderung auf „van Rijn-Lenig“ wird nicht stattgegeben, einzig Lenig genehmigt. Daraufhin wird auch sein Name im Schalker Vereinsregister geändert.

Aufgrund seiner Flucht aus Deutschland gilt Lenig nach der Befreiung vom Nationalsozialismus als staatenlos. 1949 bemüht er sich, als „displaced person“ in die USA einwandern zu dürfen. So bezeichnen die Westalliierten Verschleppte, Zwangsarbeiter und überlebende Juden des Zweiten Weltkriegs. Er bekommt aber keine Erlaubnis, da das Verfahren zur Erfassung der heimatlos gewordenen Verfolgten bereits beendet ist. 1950 nimmt er schließlich die niederländische Staatsangehörigkeit an. Lenig stirbt fünf Jahre später am 28. März 1955.

Autor: Christine Walther / Thomas Spiegel

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