Kapellmeister Leopold Leiserowitsch, Quelle: Eric Leiseroff privat

Leopold Leiserowitsch

Geboren in Minsk, Weißrussland
Gestorben in Berlin
Mitglied

Der älteste der drei Leiserowitsch-Brüder, Leopold, spielte bei den Alten Herren der Tennis Borussia Fußball. Aber sein Talent lag woanders. Leopold war Musiker.

In den 1920er Jahren unterhielt er eine eigene Kapelle, fest gebucht wurde er im Haus Vaterland und im Schloss Marquardt, beide betrieben von der Kempinski-Gruppe. Das Vaterland am Postdamer Platz war ein sechsstöckiges Gebäude direkt neben dem Potsdamer Bahnhof, auf allen Etagen fanden Besucher zahlreiche Themenrestaurants, darunter die Rheinterasse, in der zur vollen Stunde ein Gewitter simuliert wurde („Im Haus Vaterland isst man gründlich, hier gewitterts stündlich“), und das Tanzlokal Palmensaal. Bis zu einer Millionen Besucher zog das Vaterland im Jahr an. Das Hotel Schloss Marquardt, rund 15 Kilometer nordwestlich vom Potsdamer Stadtzentrum, wurde von 1932 bis zur „Arisierung“ 1937 von der Kempinski Gruppe betrieben. Die Restauration zog vor allem wohlhabende Berliner Ausflügler an.

Ob Maskenball, ob Weihnachtsfest – die Kapelle Leopold Leiserowitsch gehörte ins Festprogramm der Tennis Borussia. Nach dem Rückspiel gegen den Club Français am 19. November 1924 in Berlin durfte wegen des Buß- und Bettages nicht musikalisch aufgespielt werden, aber „Dank der liebenswürdigen Verwendung von Herrn Kapellmeister Leiserowitsch hatte man uns im Bristol so günstige Bedingungen gemacht wie in keinem anderen in Frage kommenden Hotel. In liebenswürdiger Weise hatte der Restaurationsleiter, Herr Vetter, an alles gedacht und den Spiegelsaal aufs Beste für uns herrichten lassen. Die Tischkarten waren ganz auf Sport eingestellt, Fußballerfiguren umrahmten in neckischen Formen die Anzeige der Speisen.“

Fest zum Ensemble von Leopold Leiserowitsch gehörte seit Mitte der 1920er Jahre als Schlagzeuger und Akkordeonist Siegmund Rodmann, der Neffe der drei Tennis Borussen, Leopold, Simon und Fritz Leiserowitsch. Ihre Schwester Luise betrieb zusammen mit ihrem Mann David Rodmann das Sportlokal Kaffee Radmann in der Prenzlauer Allee 7-8, das Anfang der 1920er Jahre ein beliebter Treffpunkt der Tennis Borussen im Nordosten der Stadt war.

Nach dem Vereinsausschluss der jüdischen Mitglieder von Tennis Borussia Berlin am 11. April 1933, rückte das Ensemble von Leopold Leiserowitsch in besonderer Weise in den Fokus der nationalsozialistischen Propaganda. „[Siegmund Rodmanns] Tätigkeit in der Kapelle seines Onkels wurde allerdings mehrfach wegen antisemitischer Attacken gegen das Ensemble im ‚Stürmer‘ beeinträchtigt“, so das Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit.

Leopold Leiserowitsch überlebte den Naziterror im Berliner Untergrund. In ständiger Furcht. Nach dem Krieg wurde er wieder Mitglied der Tennis Borussia Berlin. In seinem Epitaph und in Gedenken an seinen von den Nazis ermordeten Bruder Fritz sowie an das Schicksal von Simon Leiserowitsch, der bereits 1933 nach Palästina geflohen war, schrieben die Club-Nachrichten 1951, seine Entscheidung, erneut Mitglied zu werden, „wird für uns eine große Verpflichtung sein“.

Bei ihrem Besuch der Lila-Weißen im Mommsenstadion fragte Simons Enkelin Naomi Leiser im September 2014, „hat da oben Onkel Leopold gesessen?“, und deutete auf die Tribüne. Ja. „Ein toller Ort!“

Autor: Jan Buschbom

Diese Seite teilen
URL