„Der FC war sein Leben – nichts und niemand konnte das ändern“. Mit diesem Spruchband feierten die Fans des FC Bayern München im September 2009 ihren langjährigen Vereinspräsidenten Kurt Landauer, der – mit einigen Jahren Unterbrechung – über vier Jahrzehnte die Geschicke des FC Bayern lenkte und den Klub Anfang der 1930er Jahre erstmals an die Spitze des deutschen Fußball führte.
Kurt Landauer stammte aus einer bürgerlich assimilierten Familie, in der die jüdische Religion nur eine untergeordnete Rolle spielte. Seine Eltern Otto und Hulda betrieben ein gut gehendes Modegeschäft an der Kaufinger Straße, in einer begehrten Lage der Münchner Innenstadt. Die Landauers – Kurt hatte insgesamt fünf Geschwister – waren dafür bekannt, dass sie die Münchner Lebensart pflegten und z.B. gern Schweinebraten aßen. Sie galten als Beispiel dafür, dass sich jüdische Herkunft und bayrische Lebensart im Alltag gut verbinden ließen.
Der Fußball wurde für den jungen Kurt zu einem weiteren Element, mit dem er sich in seine Umwelt integrierte: Im Jahre 1901, ein Jahr nach Gründung des Klubs, schloss sich der damals 17-Jährige dem FC Bayern an. Landauer war zunächst Spieler, übernahm im Laufe der Zeit aber immer mehr administrative Funktionen: 1913 wurde er erstmals zum Präsidenten gewählt. Wenige Monate später brach der Erste Weltkrieg aus und auch Kurt Landauer zog wie viele zehntausend Juden für sein Vaterland in den Krieg. Ein militärisches Gutachten bescheinigte ihm, dass er „nach seinen bürgerlichen und sonstigen Verhältnissen“ für die Beförderung zum Offizier geeignet sei.
Nur wenige Monate nach Kriegsende übernahm Landauer 1919 ein zweites Mal die Führung des FC Bayern. Die folgenden gut zehn Jahre wurden zur ersten Blütezeit in der Geschichte des heutigen Rekordmeisters. FCB-Historiker Dietrich Schulze-Marmeling betont, dass dieser Aufstieg untrennbar mit der Persönlichkeit des Präsidenten verbunden ist: Kurt Landauer wurde „zu einem der großen Visionäre und treibenden Kräfte im deutschen Klubfußball“ und machte seinen Verein zu einer der fortschrittlichsten Adressen im deutschen Fußball.
Anders als viele Klubs, die in diesen Jahren jeglichen ausländischen Einfluss und Profibestrebungen strikt ablehnten, verpflichtete Landauer international renommierte und professionell arbeitende Spitzentrainer wie William Townley oder den aus Ungarn stammenden Konrad Kalman. Seinen größten Coup landete er jedoch 1930 mit der Verpflichtung von Richard Dombi: Während sein Verein zuvor spätestens in den Endrunden um die Deutsche Meisterschaft ausgeschieden war, gelang dem FCB unter Trainer Dombi der Sprung nach ganz oben. Am 12. Juni 1932 stand der FCB erstmals in seiner Geschichte in einem Endspiel um die Deutsche Meisterschaft. Der 2:0-Sieg gegen Eintracht Frankfurt wurde zum Höhepunkt in der sportlichen Karriere von Kurt Landauer: Nach ihrer Rückkehr nach München wurden Landauer und das FCB-Team von mehreren zehntausend Anhängern in der Münchner Innenstadt begeistert gefeiert.
Unter gewöhnlichen Umständen wäre dieser Sieg lediglich der Anfang einer langen Blütezeit dieses jungen und aufstrebenden Vereins gewesen. Die NS-Machtübernahme jedoch veränderte auch das Gesicht des FC Bayern völlig. Am 22. März 1933, keine acht Wochen nach der Machtübernahme Hitlers, musste Kurt Landauer seinen Rücktritt als Bayern-Präsident erklären. Auch Erfolgstrainer Richard Dombi, Jugendleiter Otto Beer und andere wichtige Leistungsträger mussten den Verein verlassen. Im Zuge der ‚Selbstgleichschaltung‘ wurde immerhin kein strammer NS-Parteigenosse zum Nachfolger bestimmt, sondern Landauers langjähriger Freund und Weggefährte Siggi Herrmann. Auf diese Weise konnte er noch einige Jahre aus dem Hintergrund noch gewissen Einfluss auf die Vereinspolitik nehmen.
Auch abseits des Fußballplatzes spürte Landauer schon nach wenigen Monaten die Folgen der NS-Politik: Seit 1930 als Anzeigenleiter der ‚Münchner Neuesten Nachrichten‘ beschäftigt, wurde ihm am 30. April 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft fristlos gekündigt. Zu Helfern in der Not wurden die Brüder Klaber, alte Weggefährten vom FC Bayern: Sie boten Landauer eine Stelle in ihrer Wäschereifirma an, in der er jedoch nur die Hälfte seines früheren Lohnes verdiente.
Im November 1938 begann die schwerste Zeit im Leben von Kurt Landauer: Einen Tag nach den Pogromen wurde er ins KZ Dachau deportiert, wo er den Demütigungen seiner Aufseher ausgesetzt war. Als ehemaliger Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs gelang es ihm immerhin, dieser Hölle vergleichsweise schnell zu entkommen. Nach 33 Tagen wurde Landauer entlassen und floh in die Schweiz.
Auch die Alpenrepublik war für ihn jedoch alles andere als ein sicherer Zufluchtsort: Da seine Aufenthaltsgenehmigung immer wieder nur für drei Monate verlängert wurde, musste der allein lebende Landauer ständig eine Abschiebung nach Nazi-Deutschland und damit in den sicheren Tod fürchten. In dieser Lage schenkte ihm ausgerechnet seine alte Fußballliebe einen der wenigen Hoffnungsschimmer: Im November 1943 reiste der FC Bayern zu einem Freundschaftsspiel nach Zürich. Auch Kurt Landauer hatte es sich nicht nehmen lassen und befand sich unter den Zuschauern. Mitgereiste Gestapo-Männer überwachten die Bayern-Spieler und verboten jeglichen Kontakt mit Landauer. Dennoch lief die FCB-Elf nach Abpfiff in Richtung Tribüne und winkte demonstrativ ihrem ehemaligen Präsidenten zu. Für Kurt Landauer war dies ein wichtiges Zeichen, dass er trotz Flucht und Verfolgung in seiner Heimat noch nicht vergessen war.
Zwei Jahre nach Kriegsende kehrte Kurt Landauer 1947 nach München zurück. Nur wenige Wochen später wurde der inzwischen 63-Jährige wiederum zum Präsidenten des FC Bayern gewählt. In den folgenden Jahren etablierte Landauer den Verein in der damals erstklassigen Oberliga und verschaffte ihm – gegen große Widerstände – sein heutiges Vereinsgelände an der Säbener Straße. Seine letzte Amtszeit endete im April 1951. Kurt Landauer, eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der Geschichte des FC Bayern, verstarb im Dezember 1961 im Alter von 77 Jahren in seiner geliebten Münchner Heimat.