Hermann Gerland ist Sportlicher Leiter des Münchener Nachwuchsleistungszentrums.

„Wir wollen bestmöglich ausbilden“

Bayerns Talentschmied Hermann Gerland zu Gast im Deutschen Fußballmuseum

#bild#Hermann Gerland weiß, wie man Talente fördert. Nur redet er nicht großartig darüber. Für das Deutsche Fußballmuseum machte er am Mittwoch eine Ausnahme. Gemeinsam mit Direktor Manuel Neukirchner und dem Sportjournalisten Tobias Escher erörterte der langjährige Bayern-Co-Trainer und neue Sportliche Leiter des Münchener Nachwuchsleistungszentrums wesentliche Faktoren für die Entwicklung begabter Fußballer zu gestandenen Profis. Das als Taktik Talk deklarierte und von Matthias Friebe moderierte Podiumsgespräch bescherte den rund hundert Gästen im bis auf den letzten Platz gefüllten Museums-Restaurant einen unterhaltsamen wie hintergründigen Abend.

Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller – die Liste der unter Hermann Gerland gereiften Stars könnte prominenter kaum sein. Zu jedem weiß das Bochumer Urgestein herrliche Anekdoten zu erzählen. Alle lassen erahnen: Ohne Gerland wären die drei Weltmeister schon früh durchs Raster gefallen.

#bild#Gleichwohl hatten sie es unter den Fittichen ihres Fürsprechers beileibe nicht leicht. Denn Gerland fasst seine Talente, an die er glaubt, nicht mit Samthandschuhen an. Fleiß, Leistungsbereitschaft und Härte – gegen sich und den Gegner – sind für ihn Grundvoraussetzungen, um auf einen erfolgsversprechenden Weg zu gelangen. „Auf unserem neuen, modernen Campus finden die jungen Fußballer die besten Bedingungen vor. Unsere Spieler müssen aber wissen, dass dies keine Komfortzone ist, sondern die Anforderungen an sie sehr hoch sind. Wir wollen nicht einfach nur das schönste Nachwuchsleistungszentrum haben, sondern in erster Linie bestmöglich ausbilden.“

Gerland ist nicht verborgen geblieben, dass sich in den vergangenen Jahren zum Beispiel an den Standorten Hoffenheim und Leipzig auch im Nachwuchsbereich ernstzunehmende Konkurrenz entwickelt hat.

#bild#Manuel Neukirchner, Spiritus Rector der Sonderausstellung „Herbergers Welt der Bücher“, spannt mit Blick auf die hochprofessionelle Talentförderung von heute den Bogen zu den Methoden des Weltmeistertrainers von 1954: „Natürlich verfügte Herberger nicht annähernd über die Hilfsmittel, die der aktuellen Trainergeneration zur Verfügung stehen. Aber wenn man so will, war er der erste Konzepttrainer überhaupt. In der Auseinandersetzung mit den Quellen seiner Trainerphilosophie ist die Vielschichtigkeit seiner Vorgehensweise zu erkennen. Seine Hilfsmittel waren seine 1.500 Bücher unterschiedlichster Fachrichtung, aus denen er sich Anregungen für seine taktischen Überlegungen und den Umgang mit seinen Spielern notiert hat.“

Als Mitbegründer des Taktik-Portals „spielverlagerung.de“ befasst sich Tobias Escher seit Jahren mit den modernen Methoden der Spiel- und Spieleranalyse. „Allein schon aus historischer Sicht ist es interessant zu beobachten, dass sich im Vergleich der WM-Endspiele von 1974 und 2014 zum Beispiel die Laufleistung der Spieler nahezu verdoppelt hat. Doch bei allen messbaren Parametern steht auch fest: Man kann den Fußball nicht allein den Daten überlassen.“

Dem pflichtet Hermann Gerland bei: „Es gilt, den ganzen Spieler im Blick zu haben und wie er seine individuelle Qualität gewinnbringend für die Mannschaft einsetzt. Es wäre doch nicht zielführend, von einem Messi oder Ronaldo mehr Laufwege nach hinten einzufordern auf Kosten ihrer Torgefahr. Ich habe mich früher sehr gerne in der Defensive für einen Stürmer zerrissen, von dem ich wusste, dass er mit seinen Toren uns allen am Ende des Monats 500 Mark mehr im Portemonnaie beschert.“

Individualität im Dienste des Teamgeistes – das war auch schon für Sepp Herberger ein Thema von großer Relevanz: „Den Menschen zu erreichen, ihn zu einem mündigen Spieler zu formen, das lag ihm sehr am Herzen“, sagt Manuel Neukirchner. „Dazu hat er Ratgeber-Literatur studiert, von Carnegie, oder auch philosophische Schriften von Machiavelli. Und im Training verzichtete er schon früh auf den unter seinem Vorgänger Otto Nerz üblichen Drill und stellte stattdessen Übungsformen mit Ball in den Vordergrund.“

„Herberger war besser vorbereitet als viele andere“, ergänzt Tobias Escher. „Er hat Maßstäbe in der Gegneranalyse gesetzt. Auch wenn er auf eine neue Mannschaft traf, begegnet er quasi einem alten Bekannten.“ Die intensive Beschäftigung mit anderen Spielern empfiehlt auch Hermann Gerland seinen Schützlingen: „Als Nachwuchstrainer hat es mich immer geärgert, wenn meine Spieler nicht ins Stadion gegangen sind, um sich Bundesliga-Begegnungen anzusehen. Oder es verpasst haben, die Champions League am Fernseher zu verfolgen. Abschauen und Lernen von den Besten kann man immer etwas.“

Nach dem ersten Taktik Talk im Deutschen Fußballmuseum waren sich die Beteiligten einig: Variantenreiche und flexible Spielsysteme erfordern als Grundvoraussetzung ein Höchstmaß an individueller Klasse bei den Spielern. Wie man die erreicht, dafür hat Hermann Gerland eine einfache Formel: „Gas geben. Daran hat sich im Laufe der Jahrzehnte nichts geändert.“

In eigener Sache: Wir freuen uns, euch den Podcast zum Taktik Talk anbieten zu können. Via Soundcloud gibt es den launigen Fußballabend hier zum Nachhören: 

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#galerie:75#

Museumsdirektor Manuel Neukirchner und der Sportjournalist Tobias Escher beim Taktik Talk.

Das interessierte Publikum im N11-Restaurant.

Illustre Runde beim ersten Taktik Talk im Deutschen Fußballmuseum.

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