Plädoyer für die verbindende Kraft des Sports

Für die Wiederzulassung von russischen und belarussischen Athletinnen und Athleten zu sportlichen Großereignissen wie den Olympischen Spielen im kommenden Jahr in Paris haben sich am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung im Deutschen Fußballmuseum der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Botschafter Dr. Christoph Heusgen, die ehemalige Weltklasse-Turnerin und Athletensprecherin Kim Bui sowie der Präsident der Internationalen Kanu-Föderation Thomas Konietzko ausgesprochen.

 

Die verbindende Kraft des Sports müsse erhalten bleiben und politische Konflikte dürften nicht auf dem Rücken der Sportlerinnen und Sportler ausgetragen werden. Gleichwohl seien Kriterien notwendig, die beispielsweise das Mitwirken von Mitgliedern der russischen Streitkräfte verhindern.

Bei dem Podiumsgespräch unter dem Titel „Doppelpass mit Diktatoren? Sport im Einsatz von Politik und Diplomatie“ diskutieren die Teilnehmenden über die allgemeine Rolle von Diplomatie und globaler staatlicher Zusammenarbeit im Sport. Als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine waren sämtliche russische und belarussische Athleten von internationalen Sportwettbewerben ausgeschlossen worden. Inzwischen wird in vielen Sportverbänden erörtert, ob und wie lange dieser Ausschluss aufrechterhalten werden kann.

Dr. Christoph Heusgen: „Die Trennung von Sport und Politik ist das, was sich viele gerne vorstellen, doch beide Bereiche hängen zusammen. Der Sport wird immer wieder instrumentalisiert, das haben wir hier in Deutschenland schon 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin erlebt. Wir müssen uns dabei aber fragen: Wie können wir die völkerbindende Kraft des Sports erhalten? Die olympische Bewegung ist keine Folklore, sondern von ihr gehen Impulse aus, den Krisen und Unsicherheiten in dieser Welt etwas Wunderbares entgegenzusetzen. Sicher sollten wir bei der Vergabe von sportlichen Großereignissen von Prinzipien geleitet sein, doch die Sicht ‚Die Welt mag am deutschen Wesen genesen‘ kann nicht der Maßstab sein. Da wäre etwas mehr Bescheidenheit angebracht. In der Diplomatie habe ich es oft erlebt, dass im Vorfeld schwierigster politischer Verhandlungen ein Gespräch über Sport die Basis für eine konstruktive Atmosphäre schaffen kann.“

Kim Bui: „Athletinnen und Athleten dürfen nicht für die Handlungen der Regierungen ihres Landes bestraft werden. Letztendlich wollen wir alle unsere jeweilige Sportart bestmöglich ausüben und Vorbilder für den Nachwuchs sein. Im Olympischen Dorf sind alle Sportlerinnen und Sportler gleich. Gleichwohl kann ich die Vorbehalte verstehen, wenn Wettkämpfer aus der Ukraine und Russland in direkten Duellen aufeinandertreffen. Neben der politischen Betrachtung der möglichen Wiederzulassung russischer und belarussischer Sportlerinnen und Sportler ist es mir wichtig, dass sie sich in ein unabhängiges Dopingkontrollsystem eingliedern.“

Thomas Konietzko: „Sportdiplomatie im globalen Kontext ist immer ein Balanceakt und muss die verschiedensten Interessen berücksichtigen. Die Beteiligten haben nun einmal nicht durchweg eine Herkunft aus demokratischen Ländern und es treffen vollkommen unterschiedliche Kulturen aufeinander. Die eigene, persönliche Einstellung ist dabei nicht zwingend maßgebend und Kompromissbereitschaft unabdingbar. Die Zeit politischer Boykotte von sportlichen Großereignissen ist vorbei. Für die Teilnehmenden müssen wir Kriterien aufstellen, die Kriegspropaganda unmöglich machen und den politischen Missbrauch der großen sportlichen Bühne weitestgehend eindämmen. Grundsätzlich bietet der Sport eine Ebene für Diskussionen und Themen, die angesprochen werden müssen, um die Welt besser zu machen.“

Eine Aufzeichnung des vom Deutschen Fußballmuseum in Zusammenarbeit mit dem Büro für Internationale Beziehungen der Stadt Dortmund und dem Deutschlandfunk initiierten Podiumsgesprächs ist am Sonntag (10. Dezember, 23.30 Uhr) in der Sendung „Sportgespräch“ des Deutschlandfunks zu hören.

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