Auf den Spuren eines Klassikers

Die Begegnung Deutschland gegen England elektrisiert die Fußballfans. Mit ihr sind Erinnerungen verbunden an spannende Verlängerungen und dramatische Elfmeterschießen. Lange Zeit war die Auseinandersetzung allerdings eine einseitige Angelegenheit. Neben der Dauerausstellung widmet sich das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund ab Sommer auch in einer Sonderausstellung dem Ereignis, das der sportlichen Rivalität zwischen beiden Nationen einen besonderen Impuls verlieh.|Deutschland gegen England

 

#bild#Die Rivalität ist so alt wie die Geschichte des Fußballs in Deutschland. Zunächst mochten hierzulande weite Teile der Bevölkerung gar nicht, was gegen Ende des 19. Jahrhunderts als neuer Sport aus England herüberschwappte. Besonders die Turner zeigen wenig Begeisterung für Fußball. In seiner polemischen Schrift „Fußlümmelei“ von 1898 lehnte Turnlehrer Karl Planck den Sport als englische Unsitte ab. Ihm missfielen insbesondere der Wettbewerbscharakter und fehlende Moral.

Gleichwohl trat 1899 eine deutsche gegen eine englische Auswahl zu den sogenannten Urländerspielen an. Es sind Lehrstunden für die Deutschen. Nach drei Partien lautet das Torverhältnis insgesamt 4:30. Der Urquell der Rivalität? Damals war man jedenfalls noch weit entfernt davon, das Spiel zwischen beiden Nationen so zu bezeichnen wie es einst Franz Beckenbauer in unverwechselbarer Weise tat. „It’s a classic. We call it a Klassiker“.

Als echter Klassiker gilt das WM-Finale von 1966 zwischen England und Deutschland. Aus heutiger Sicht. Damals konnte es keiner sein. Zu groß war die englische Dominanz in den direkten Duellen in den Jahren und Jahrzehnten davor. Denn auch in offiziellen Länderspielen blieb die deutsche Nationalmannschaft ohne Sieg gegen das Mutterland des Fußballs. Die erfolgreichste und gleichsam magere Ausbeute in den elf Begegnungen seit dem 20. April 1908 waren bis zum Zeitpunkt des Endspiels im Londoner Wembley-Stadion zwei Unentschieden.

#bild#Daran sollte sich kurzfristig auch nichts ändern.  Und das lag nicht unerheblich an einer Szene in der elften Minute der Verlängerung, als beim Spielstand von 2:2 ein Treffer fiel, der als einziger in der Fußballgeschichte eine eigene Bezeichnung trägt. Nicht wenige behaupten, sie sei nur zur Hälfte zutreffend. Weil der Schuss, den der Engländer Geoffrey Hurst zum Wembley-Tor auf das deutsche Gehäuse abgab, nicht oder zumindest nicht vollständig hinter der Linie gelandet sein soll. Für den damaligen Linienrichter Tofik Bachramov gab es keinen Zweifel. Er signalisierte dem Schweizer Hauptschiedsrichter Gottfried Dienst, auf Tor zu entscheiden.

Bei seiner Entscheidungsfindung war Bachramov mit geradezu detektivischem Spürsinn vorgegangen: „Ich habe nicht gesehen, dass der Ball im Tor war. Aber ich sah,  wie der Engländer Hunt nach dem Schuss die Arme hochriss. Ich sah auch, dass der deutsche Torwart einen untröstlichen Eindruck machte. Deshalb muss es Tor gewesen sein“, äußerte er später in einem Interview.

Nicht von ungefähr heißt die Inszenierung der WM 66 im Deutschen Fußballmuseum „Tatort Wembley“. Die Besucher können sich per Knopfdruck aus verschiedenen Perspektiven wahlweise in Farbe oder in schwarz-weiß die Aufnahmen der spielentscheidenden Situation ansehen und dabei auch die Zeitlupe zur Hilfe nehmen. Zur weiteren Beweisaufnahme werden die Aussagen der wichtigsten Augenzeugen präsentiert. Ausgerechnet Torschütze Geoffrey Hurst ist sich dabei seiner Sache nicht mehr so sicher: „Nachdem ich jahrzehntelang alle Argumente gehört und die Zeitlupenwiederholung hunderte Male gesehen habe, muss ich zugeben, dass es aussieht, als ob der Ball die Linie nicht überschritten hätte."

#bild#Dennoch hieß es damals nun 3:2 für England.  BBC-Reporter Kenneth Wolstenholme rief ins Mikrofon:  „It’s a goal! It’s a goal! Oh, and the Germans go mad at the referee!“ Die Protestaktionen hielten sich allerdings in Grenzen. „Ich war viel zu kaputt, um mich aufzuregen“, erinnert sich Franz Beckenbauer. Nachdem den Engländern noch der Treffer zum 4:2-Endstand gelungen war, erwiesen sich die deutschen Spieler als faire Verlierer, was ihnen im internationalen Echo große Anerkennung und Respekt einbrachte.

Natürlich war auch Enttäuschung vorhanden, weshalb nach einem der berühmtesten Tore der Fußballgeschichte obendrein das „Sportfoto des Jahrhunderts“ entstand. Es zeigt Mannschaftskapitän Uwe Seeler, wie er gesenkten Hauptes das Spielfeld des Wembley-Stadions verlässt, beinahe ich sich zusammengesunken.  Sven Simon, Sohn des Verlegers Axel Springer, gelang dieser einzigartige Schnappschuss, der in besonderer Weise  die unglückliche Endspiel-Niederlage der deutschen Elf symbolisiert.

#bild#Das Foto wird Bestandteil einer Sonderausstellung, die das Deutsche Fußballmuseum anlässlich von „50 Jahre Wembley“ konzipiert und die genau ein halbes Jahrhundert nach dem Endspieltag am 30. Juli eröffnet und viele interessante Perspektiven auf die WM von 1966 bietet. Natürlich auch mit besonderen Fokus auf das Finale. Erstmals standen sich beide Teams in einem Turnierspiel gegenüber und erstmals begegneten sie sich auf Augenhöhe. Insofern ist Wembley nicht nur die Geschichte des einen Tores, des einen Fotos, sondern markiert die Entstehung eines immer jungen Klassikers des Welt-Fußballs.

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