Wie aus einem geplanten Urlaub eine Weltkarriere wurde
Während der EM-Endrunde 1980 besiegte die deutsche Mannschaft auf dem Weg ins Finale Titelverteidiger Tschechoslowakei und die Niederlande, die zwei Jahre vorher noch im WM-Finale gestanden hatte. Die Auswahl des damaligen Bundestrainers Jupp Derwall blieb zu jener Zeit in 23 Spielen in Folge ungeschlagen, eine bis heute bestehende Rekordserie.
„Unsere Mannschaft besaß herausragende Einzelspieler, funktionierte aber auch als verschworene Gemeinschaft. Der EM-Gewinn bildete natürlich den absoluten Höhepunkt“, erzählt Dietz, der neben seinen 53 Länderspielen auch 495 Bundesligaeinsätze für den MSV Duisburg (1970-82) und den FC Schalke 04 (1982-87) bestritten hat. Erst mit 22 Jahren wurde er Profi und absolvierte im Dezember 1974 sein Länderspieldebüt auf Malta.
„Wir spielten damals in Valletta auf einem Betonplatz und haben mit fünf Debütanten nach einem Tor von Bernd Cullmann mit 1:0 gewonnen. Trotz des knappen Ergebnisses war das für mich ein schönes vorweihnachtliches Geschenk.“ Zum Team gehörten aber auch noch die 74er-Weltmeister wie Franz Beckenbauer, Rainer Bonhof und Bernd Hölzenbein. „Ich war schon ein gestandener Bundesliga-Profi, aber mit diesen Jungs zusammenzuspielen, hatte noch einmal etwas Besonderes. Im Team der Weltmeister stieg Dietz schließlich sogar zum Kapitän auf.
Dietz erinnert sich: „Nach der erfolglosen WM 1978 gab es ja dann nicht mehr viele Weltmeister in der Mannschaft, was auch daran lag, dass die im Ausland tätigen Spieler damals nicht berufen wurden. Beckenbauer war deshalb schon seit 1977 nicht mehr dabei. Nach dem Turnier in Argentinien bestimmte Jupp Derwall als neuer Bundestrainer Sepp Maier zum Kapitän und mich als seinen Stellvertreter, was er mir quasi im Vorbeigehen zuraunte. Sepp musste ein Jahr später nach einem schlimmen Autounfall leider seine Karriere beenden. So wurde ich zu seinem Nachfolger.“
Doch auch als Kapitän agierte der bodenständige Dietz mehr als Teamplayer, weniger als lautstarker Chef und kümmerte sich dabei insbesondere auch um die Integration der jungen Spieler. Auf diese Weise ebnete er einem späteren Weltstar des Fußballs den Karriereweg. Lothar Matthäus, damals gerade 19 Jahre alt, konnte sich im Vorfeld der EM 1980 über seine Nominierung zunächst nicht so recht freuen, weil er dafür den gemeinsamen Urlaub mit seiner Freundin absagen musste. Dietz beseitigte im persönlichen Gespräch die Zweifel des aufstrebenden Talents, mit seiner EM-Teilnahme die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Und damit sich für Matthäus die EM-Reise in besonderer Weise lohnen sollte, ließ sich der Kapitän im zweiten Gruppenspiel gegen die Niederländer bei einer scheinbar sicheren 3:0-Führung für ihn auswechseln. Die Goodwill-Aktion wäre beinahe schiefgegangen. Matthäus war kaum auf dem Spielfeld, als er sogleich einen Elfmeter verursachte. Und als den Niederländern auch noch der 2:3-Anschlusstreffer gelang, schwante Dietz Böses. „Am Spielfeldrand wurde ich dann doch etwas nervös, ob ich mich nicht etwas verkalkuliert hatte.“ Es ging aber bekanntermaßen alles gut. Die Basis für Matthäus‘ Weltkarriere war gelegt und acht Tage später streckte Bernard Dietz den EM-Pokal in den römischen Nachthimmel. Seine Kapitänsbinde ist seit 2015 im Deutschen Fußballmuseum zu sehen – ein kleines Stück Stoff mit einer großartigen Geschichte.